
Die Geschichte der Villa Miralago, ... “dem Ort, an dem die Zeit still steht”
Mit ihren 132 Jahren ist die Villa Miralago ein Hort für Geschichte und Geschichten und ein wahres Juwel. Denn sie ist eine von nur zwei noch zugänglichen Villen ihrer Art am Wörthersee und die letzte im Originalzustand.
Dies ist ein kleiner Auszug aus ihrer Historie:
Die Belle Époque der Sommerfrische
1886 erhielt der Architekt Carl Langhammer von einem Wiener Industriellen den Auftrag, sich nach zwei Grundstücken am Wörthersee umzusehen. Damals waren diese noch reichlich vorhanden und auch erschwinglich, da sie für die Pörtschacher Bauern und Grundbesitzer keinen Wert darstellten. Sie waren sogenannte 'saure Wiesen' – feucht, nährstoffarm und ungeschützt.
Der Hausarchitekt der Industriellen-Brüder Ludwig & Anton Urban glaubte schon freie Hand bei Auswahl des Baugrundes zu haben, da kam der Anforderungskatalog und die Luft wurde dünner. Denn direkt am See und ruhig mußte es sein für die Geschwister, von Wind, Wetter und Menschen verschont, der Ausblick unverbaubar und vielschichtig. Keine direkten Nachbarn und ein traumhaftes Panorama gen Süden müße man haben, bestenfalls an der breitesten Stelle des Wörthersees.
Die ruhigste Bucht am See habe er gefunden, schwärmte der Architekt, an herausragender Stelle und ohne jegliches Gegenüber. Der See sei wahrhaftig 1.5km breit an diesem Punkt. Nur diese zwei Gründe konnten letztendlich all die geforderten Kriterien dauerhaft erfüllen.
Und so folgte Ludwig Urban senior der Empfehlung Langhammers und kaufte die zwei benachbarten Baugrundstücke am Ufer der Pörtschacher Ostbucht im Jahr 1887 für sich und seinen jüngeren Bruder Anton.
Über drei Jahre hinweg sah sich der Architekt Sonnen- und Mondstand an, studierte die Blickachsen, das Wetter und den Wasserstand, denn er wollte, daß seine erste Seevilla eine ganz Besondere sein soll. Lieblich und verspielt, kunstvoll und verträumt stellte er sie sich vor und plante von 1887-1889. Im Frühjahr 1889 war es dann soweit. Die Villa “Lugg in See“ bzw. Villa Urban wurde erbaut und 1893 fertiggestellt.
Der Bauherr, Ludwig Urban, der dieses reichhaltige Haus in Auftrag gegeben und so viel Freude und Energie hineingesteckt hatte, hat es nach nur fünfzehn Jahren wieder verkauft. Es ist nicht überliefert aus welchem Grund. Die Ur-ur-Enkel Urbans jedenfalls freuen sich heute nicht über den Verlust.
Auch der zweite Eigentümer hatte die, damals noch, Villa Lugg in See nur für weitere fünfzehn Jahre inne.
Seine Enkelin besuchte das Haus im Jahr 2021.The Urban family was a successful entrepreneurial family from Vienna. Brands still known today include 'Jolly' colored pencils or DKT - The Business Talent.
Anfang der 1920er Jahre erwarb das erste Mitglied der heutigen Eigentümer-Familie die Villa Miralago. Dr. Bruno John (zu K.u.K.-Zeiten Bruno Ritter v. John) kaufte mit seiner Frau Berta die Villa Lugg in See im Jahr 1923. Dr. John war Rechtsanwalt mit Niederlassungen in Wien, Brünn und Leipzig. Er selbst lebte ursprünglich in der Nähe von Brünn (Brno) und hatte dort auch den Großteil seiner Ländereien. Im Zuge der nationalpolitisch wie ökonomisch motivierten tschechoslowakischen Bodenreform 1919-1927 wurde er großteils enteignet und sein Besitztum dem Staat übertragen. Er war gezwungen der Tschechoslowakei den Rücken zuzukehren und fand in der Heimatstadt seiner Frau Zuflucht.
Das Ehepaar zog in eine Wohnung im VI. Wiener Gemeindebezirk und sah sich nach einem geeigneten Ort ausserhalb Wiens für die sprichwörtliche Sommerfrische um. Als Bruno und Berta John die Villa Lugg in See besichtigten, die damals zum Verkauf stand, mußte das Paar nicht lange überlegen. Sie wußten, daß sie den richtigen Platz für sich, für ihre Familie und auch ihren späteren Lebensabend gefunden hatten.
Das Haus wurde, auch mit der Hilfe von Berta´s Schwester und deren Ehemann, aufgefrischt und zu einem Hotel adaptiert. Das erste Gästebuch des Hauses stammt aus dem Jahr 1927. Seit 1929 war die Villa Lugg in See ein Hotel Garni und blieb es vorerst bis 1944.
Von der Enteignung zur zeitlosen Eleganz
Nach dem Ende des II. Weltkriegs wurde das Haus beschlagnahmt und zum Hauptquartier für Panzer und LKW der britischen Armee, während die Villa Seefried der Besatzungsmacht als Kommandanturgebäude diente.
Anfang der 1950er Jahre wurde die Villa Lugg in See wieder an die Eigentümer zurückgestellt und eine mühevolle Restaurierung der Bausubstanz wurde unternommen, denn die Nutzung als Panzer-Hauptquartier ist ganz und gar nicht spurlos an Haus und Garten vorüber gegangen. Die schweren Fahrzeuge hatten das Erdreich massiv vedichtet und regelrechte Krater hinterlassen, auch Schweröl und Benzin waren ausgetreten und hatten den alten Baumbestand gravierend verletzt.
Leider sind aus dieser Zeit keine greifbaren Bilddokumente vorhanden, die von dem Ausmaß der Schäden schildern könnten. Die Erzählungen von Frau John jedoch vermochten einen sehr lebhaften Eindruck zu vermitteln.
Um mehr Platz für Gäste zu schaffen, wurde 1953 ein Teil der Terrasse geopfert und ein neuer Raum wurde an das Gebäude angebaut. Es ist dies der heutige Frühstücksraum, der gen Norden, Süden und Osten großzügige Fenster aufweist, die einen unobstruierten Ausblick über den Wörthersee zulassen. Die Fenster gen Süden wurden als 'englische Fenster' ausgeführt. Sie waren vertikal verschiebbar und ließen sich auf diese Weise öffnen.
Es war dies auch die Zeit da das gebeutelte Europa nach den zehrenden und zerstörerischen Wirren des Krieges wieder aufatmen durfte und sich langsam ein paneuropäischer Tourismus entwickelte. Bald besuchten Stars, Sternchen und Jetsetter den malerischen Wörthersee. Fürsten und Prinzessinnen folgten ihnen und verhalfen dem See zu neuem Grandeur. Einige wenige hielten sich auch mit Vergnügen in der zurückgezogenen gelben Villa auf, deren Diskretion stets sehr geschätzt war und ist.
Frau John erkannte schon früh die zunehmende Internationalisierung und suchte nach einem neuen Namen für die Villa Lugg in See. In mehreren Sprachen verständlich sollte er sein und, um dem Stil des Hauses zu genügen sollte er auch einen südlichen Klang haben, ohne dabei seine Ursprünge zu verleugnen.
Schon im Jahr 1911 hatte Herr Dr. John eine lange Sommerreise durch Italien bis nach Nordafrika unternommen. Selbstverständlich machte er damals auch Halt in Pörtschach, Udine und Triest. Ein gut gefülltes Fotoalbum mit Bildern dieser Reise ist noch erhalten, in dem sich auch einige Fotos des von Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich in Auftrag gegebenen Castello di Miramare bei Triest finden lassen.
Was wäre näher gelegen als das prachtvolle Miramare von der Adria an den “Lago di Wörther” zu bringen?
Eccola - der Name Villa “Miralago” war geboren. Wie praktisch auch, daß “Miralago” zudem nichts anderes bedeutet, als das mundartliche “Lugg in See” oder auf gut Deutsch: “Schau in den See”.
Die folgenden Jahre waren eine schöne Zeit für das Haus und seine Bewohner. Natürlich konnten Berta und Bruno das weitläufige Areal nicht alleine bewirtschaften. Und so hatten sie besonders im Winter große Hilfe von einer Pörtschacher Familie, die auf lange Zeit mit Berta John und der Villa Miralago verbunden sein würde. Herr Rapatz sen. war seit Anfang der Fünfziger Jahre bis in die späten Siebziger hinein der Hausmeister der Familie John. Seine Kinder sind zu einem guten Teil in diesem Haus aufgewachsen. Sie halfen schon in den Sechzigern im Haus mit. Bald war seine Tochter die rechte Hand der resoluten und nicht ganz einfach zu handhabenden Frau John.
Viele lustige Geschichten sind aus diesen Zeiten geblieben. So war und ist es nach wie vor ein jährliches Ritual der Familie, gemeinsam den Frühjahrsputz in Haus und Garten zu machen. War dieser nach etwa zwei Wochen getan, so ließen sich alle gemeinsam völlig erledigt auf der Terrasse nieder und riefen aus: “So schön geputzt ist alles, ... hoffentlich kommen keine Gäste!”.
Auch der jährliche Besuch des Pörtschacher Kirchtags war immer ein Ereignis. Da kam es schon ein, vielleicht zweimal vor, daß beim Anstoßen Würstel und Schnapsglas in der Hand verwechselt wurden.
Heute noch erzählen Stammgäste lachend davon, daß sie mit einer Flasche Wein bestochen in das Souterrain verbannt wurden, weil der gesamte Fomel1-Zirkus im Haus war, von Senna bis Lauda.
Berta John führte die Villa Miralago liebevoll, erfolgreich und konsequent bis zu ihrem 92. Lebensjahr.
Sie und ihre Schwester waren durch unglückliche Umstände kinderlos geblieben und so vermachte sie das Haus ihrer einzigen Nachfahrin. Berta John verstarb 1994 in Wien im stolzen 95. Lebensjahr.
Wieder war es an der Zeit, daß die Familie zusammen hilft. Die nunmehrige Erbin der Miralago und ihr Mann brachten die alten Strom- und Wasserleitungen auf den neuesten Stand, einige Bereiche wurden restauriert und die Badezimmer des Hauses renoviert. Frau Johns Nachfahrin war nur achtzehn Jahre jünger als sie selbst, weshalb sie das Haus lieber für eine jüngere Generation vorbereitete. So wurde die Villa Miralago an den Sohn einer Mitarbeiterin verpachtet. Die Familie Semmelrock-Werzer zog 1994 in die ehrwürdigen Räume ein und mit ihr eine Schar an Kindern, die das Haus neu belebte. Gäste aus diesen Jahren erinnern sich noch mit Freude an die ausgelassene Stimmung und die Grillabende im Garten.
Die Villa Miralago im neuen Jahrhundert
Schon 2004 wurde das Haus an die Tochter der Eigentümerin übergeben und bald darauf abermals verpachtet, diesmal an einen Architekten - Dipl.Ing. Kircher. Bis Ende Dezember des Jahres 2020 war die Miralago nun vergeben, insgesamt für 25 Jahre.
Seit 2021 ist die Villa Miralago wieder in der Obhut der Familie. Vieles hat sich seither getan.
Mehr als eintausend Quadratmeter des Gartens, welche zwischenzeitlich für Parkplätze und Zelte genutzt waren, wurden wieder hergestellt. Um die 1.350 Pflanzen wurden gesetzt, darunter auch einige Bäume. Die Zufahrt zur Villa wie auch die Wege um das Haus wurden um eine Spurbreite verkleinert, was für eine wahrnehmbare Verbesserung der Lebensqualität und einen reduzierten Geräuschpegel sorgt. Das Grundstück ist nun nur noch im Schritttempo befahrbar. Schon bei der Ankunft spürt man diesen Effekt positiver Entschleunigung.
Der Uferbereich ist wieder zurückgebaut und von alten Lasten befreit. Das Bootshaus wird fachmännisch restauriert. Die Ufermauer, der schon der eine oder andere Stein gefehlt hatte, wird instand gesetzt.
Jedes einzelne Zimmer wird nach und nach renoviert. 18 Räume sind es inzwischen, die auf diese Weise wachgeküsst wurden, ein paar wenige warten noch geduldig. Die antiken Möbel, die von Anbeginn im Haus waren, werden sukzessive mit größter Sorgfalt und Liebe von den Eigentümern aufgearbeitet. Jedes einzelne Stück, das im Haus seinen Platz findet, wird auf diese Weise behandelt.
Ganze Möbelgarnituren sind inzwischen fertiggestellt und werden durch ausgewählte moderne Stücke oder Antiquitäten der jeweiligen Ära komplementiert. Jedes Zimmer hat nun seinen einzigartigen Charakter und erzählt eine ganz eigene charmante Geschichte.
Die Villa Miralago ist in der vierten Generation angelangt und kein bißchen verstaubt. Nach wie vor weiß die alte Dame zu erstaunen und zu verzücken. Wer hierher kommt, der möchte nicht mehr gehen. Gäste bezeichnen das Gefühl als eine unsichtbare Wand, die die Miralago von der Aussenwelt trennt. Sie nennen sie “the bubble” oder “der Ort, an dem die Zeit still steht”.
Die Eigentümer-Familie weiß um diese Tatsache wohl Bescheid und so behütet und bewahrt sie die Miralago nach bestem Wissen und Gewissen. Dieser Ort soll erhalten bleiben als einer der letzten seiner Art. Für den See und seine Bewohner, für Architektur- und Kunstbegeisterte und für all jene, die wieder einmal träumen möchten.
Eine stolze Zahl an wunderschönen Villen gibt es um den Wörthersee. Einige von ihnen kann man auch vom Wasser aus betrachten und bei Nacht werden sie von Aussen oft hell beleuchtet. Auf dem Grundstück der Miralago hingegen ist es abends immer recht schummrig. Um Aussenwirkung hat sie sich nie gekümmert. Seit 102 Jahren ist sie nun schon im Besitz einer Familie, seit 98 Jahren ein Hotel und ein geliebtes Zuhause.
Von den Generationen an Eigentümern wurde die Villa Miralago nie als eine Gewerbeimmobilie oder gar als Investmentobjekt wahrgenommen, viel mehr als das, was sie bereits für Bruno und Berta John war - ein Hort von Liebe, Ruhe,
Leidenschaft und Hingebung, den es zu beschützen gilt.
Denn dieses Haus birgt ein ewiges Funkeln.
Es leuchtet von innen.


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